Douze Regards sur le Rouge et le Noir für zwei Klaviere (1996/97)

Verlag: Schott Music

Dauer: ca. 21-23′

UA Berlin, 18.1.2004 (UltraSchall-Festival, Andreas Grau/Götz Schumacher)

Rundfunksendungen:

RBB 15.4.2004, 6.10.2010

Werkeinführung:

Introduktion I (Klav I) – Ritus I (Klav I) – Solitär (Klav. II) – Ritus II (Klav I) – (überschneidend) Introduktion II (Klav II) – (überschneidend) Ritus III (Klav II) – (überschneidend) Somnus (Klav II) – (überschneidend) – Ritus IV (Klav I) – Epilog I (Klav I und II) – Somnium (Klav II) – Epilog II (Klav II) – Ritus ultimus (Klav I und II)

Douze Regards sur le Rouge et le Noir ist ohne Frage von den großen, gleichermaßen brillanten und technisch-ästhetisch anspruchsvollen Werken für zwei Klaviere von Debussy über Boulez bis zu B.A.Zimmermann beeinflußt. Mit diesen Stücken gemeinsam hat es auch die Bestrebung, das in der Moderne ambivalente Klavier – Instrument des 19. Jahrhunderts par excellence – durch die Verdopplung zu erweitern, um nicht zu sagen: zu transzendieren. Dabei ist die Rollenverteilung der beiden Parts ziemlich eindeutig. Klavier I kämpft mit Texturen von anfangs ritueller, bisweilen brachialer, später immer mehr zerfaserter Virtuosität, Klavier II liefert – mit der Ausnahme des Abschnittes Solitär – vor allem intime Kommentare von fragiler Zartheit und dezent einge- setzte inside piano-Klänge. Zugleich ist diese Gegenüberstellung aber nur ein Aspekt einer sich vielfach überlagernden Formstruktur, in der die beiden instrumentalen Schichten nur in einem einzigen Abschnitt – Epilog I – tatsächlich gemeinsam agieren. Dazu gibt es eine zweite Ebene von Kommentaren: kurze „Parenthesen“, die der jeweils pausierende Spieler an bestimmten Stellen in die Soli des anderen hineinspielen kann, aber nicht muß. Alle diese Parenthesen setzen sich auch als „Felder“ zum – ebenfalls optionalen – letzten Abschnitt zusammen. Die Dauernverhältnisse der Binnenabschnitte wie auch die Tonhöhen und bis zu einem gewissen Grade auch die rhythmischen Detailstrukturen folgen einer strengen Organisation aus in sich permutierten Intervall- bzw. Dauernkonstellationen.

Dramaturgisch besteht das Stück im Grunde aus einer langgezogenen Antiklimax. Diese riskante Anlage gibt jedoch den Blick frei auf zunehmende Differenzierungen und fordert den Hörer auf, die genau austarierte Konstruktion des Zyklus‘ nachzuvollziehen, die sich erst in den immer weiter ausgedünnten Schlußabschnitten ganz auffächert. Die wenigen Ausbrüche wirken in der Zartheit und „Losigkeit“ dieser Passagen umso verletzender; und die verschiedenen Möglichkeiten, das Ende zu gestalten, weisen zugleich auf die Offenheit des nur scheinbar in sich geschlossenen Zyklus‘ hin.