Anfänge/Netze (Malbork II) für Flöte, Klarinette, Streichtrio und Klavier (2006)

Besetzung: Flöte (auch Picc., auch Baßfl.), Klarinette in B (auch Klar. in A, Klar. in Es), Violine, Viola, Violoncello, Klavier

Aufführungsdauer: ca. 17‘

Verlag: Schott Music

UA: 3.11.2007, Berlin (Modern Art Sextet)

Auftragswerk des Berliner Senats (Berliner Kompositionsstipendium 2006)

Weitere Aufführungen:

23.11.2009, Konzerthaus Berlin
15.6.2011, Nikolassaal Potsdam
2.12.2011, Kulturrathaus Dresden
12.3.2014, Villa Concordia Bamberg (Ensemble musikfabrik, Ltg.: Johannes Schöllhorn)

CD: WERGO (courage – Dresdner Ensemble für zeitgenössische Musik/Titus Engel)

Werkeinführung:

Anfänge/Netze (Malbork II) ist das Kernstück einer lockeren Folge von Kammermusiken, die sich mit dem Werk von Italo Calvino auseinandersetzen, insbesondere mit den Essays der Six Memos for the Next Millennium und dem Roman Se una notte d’inverno un viagiattore (deutsch Wenn ein Reisender in einer Winternacht).

Der Titel bezieht sich auf eine besonders verrätselte Kapitelüberschrift des Romans, „Fuori dall’abitato di Malbork“ („Vor dem Weichbild von Malbork“). Die Erzählweise dieses Romans ist raffiniert: zwar scheint das Buch mit jedem Kapitel von neuem zu beginnen, sammelt aber zugleich Personen und Erzählstränge aus diesen Anfängen zu einem farbigen und komplexen Netzwerk.

Jedem neuen Anfang folgt ein reflektierendes Fortsetzungskapitel, und dieses Spiel mit „Anfängen“ und „Fortsetzungen“ ist Ausgangspunkt für die musikalische Struktur des Sextetts. Die kompositorische Herausforderung dabei ist evident: wie läßt sich in einer Musiksprache, die keine simplen, allgemein verbindlichen formalen Signale verwendet, ein „Anfang“ mitten im musikalischen Verlauf definieren, wann endet dieser, wann beginnt seine Fortspinnung? Fast wie von selbst überträgt sich dabei die Erzählstrategie von Calvinos Roman auf die musikalische Dramaturgie: in jedem Anfang stecken Spuren des Vorangegangenen oder Folgenden, bisweilen erscheint ein neuer Anfang zugleich als Ergebnis einer von langer Hand vorbereiteten Entwicklung. Manche Fortsetzungen gehen entsprechend organisch aus den Anfängen hervor und sind nur undeutlich abgegrenzt, andere dagegen klare Einschübe oder Parenthesen, die bisweilen Klänge aus entlegenen Abschnitten des Stückes reflektieren.

So wird die scheinbar einfache Taktung des Verlaufs aus (insgesamt neun) „Anfängen“ und (acht) „Fortsetzungen“ durch eine gewisse Unschärfe überspielt; die klare Silhouette verschwimmt, zumal die Grenzen der ‚Kapitel‘ oft nicht in allen sechs Instrumenten exakt zusammenfallen.

Als stabilisierender Überbau für diese komplexen Bezüge dient eine klare Einteilung in vier Abschnitte mit unterschiedlichen Tempi: eine moderate Eröffnung, ein sehr rascher und virtuoser Einschub, eine ausgedehnte und in sich vielgestaltige langsame Sektion sowie ein zügiger, leicht zerfallender Schluß, der ganz am Ende noch einmal kurz zusammengerafft wird in einem letzten Anfang, der ohne Fortsetzung bleibt.